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Verlogene Argumente der »Koalition der Willigen«

Mittwoch, 23. März 2011 | Autor: hfe | Diese Seite als PDF herunterladen

Norman Paech: Menschenrechte kann man nicht mit Krieg sichern

Interview des ND mit dem ehemaligen Vorsitzenden der VDJ, Prof. Dr. Norman Paech

Seit dem Wochenende greifen mehrere NATO-Staaten Libyen mit Bombern und Marschflugkörpern an. Sie berufen sich dabei auf die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates. Zu recht? Über völkerrechtliche Aspekte des Krieges gegen Libyen sprach mit Norman Paech (Jahrgang 1938), emeritierter Professor für Öffentliches Recht und ehemaliger außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der LINKEN, für Neues Deutschland Roland Etzel.


Norman Paech: Menschenrechte kann man nicht mit Krieg sichern
Seit dem Wochenende laufen die Angriffe der vor allen Dingen französischen Streitkräfte auf Libyen. Paris bezieht sich dabei auf eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates. Legitimiert sie diesen Krieg?

Der UNO-Sicherheitsrat hat es sich vielleicht etwas leicht gemacht, indem er den Bürgerkrieg, den es dort gibt, einfach als einen Krieg ansah, der die internationale Sicherheit und den internationalen Frieden gefährdet. Das ist die Voraussetzung, um als Sicherheitsrat das Mandat zu erteilen, dort eingreifen zu können.
An sich darf niemand von außen in einen Bürgerkrieg auf der einen oder anderen Seite eingreifen. Das darf allein der Sicherheitsrat. Formal unantastbar hat er das auf der Basis von Artikel 39 und 42 der UNO-Charta getan. Das ist die juristische Bewertung. Die politischen Motive, die dahinter stehen, insbesondere bei denen, die diese Resolution wollten, sind offensichtlich ganz anders zu bewerten.

Mit dem Beschluss sollte vorgeblich die Zivilbevölkerung geschützt werden. Ist mit seinem Inkrafttreten automatisch ein Blankoscheck zum militärischen Eingreifen an alle Staaten ergangen? Oder bedarf es dazu noch eines speziellen Mandats?

Nein, das Mandat ist eine für solche Maßnahmen juristisch zutreffende Grundlage. Die Schwäche der Resolution betrifft allerdings zweierlei. Sie gibt nicht genau an, worin sie die Gefährdung des internationalen Friedens durch Libyen eigentlich sieht. Das ist die Voraussetzung des Artikels 39. Allein die Verletzung von Menschenrechten ist nicht immer die zulässige Begründung oder die zutreffende Begründung dafür, dass der internationale Frieden verletzt ist. Wir hatten so etwas schon 1991, als es um den Schutz der Kurden im Norden Iraks ging. Dort konnte der Sicherheitsrat das zögernde China nur deswegen zur Stimmenhaltung bewegen, weil er auf die Flut von Flüchtlingen in die Nachbarländer hinwies.
Es gibt ein zweites Problem dieser Resolution. Es wird ausdrücklich verboten, Besatzungstruppen in das Gebiet zu senden. Allerdings schließt der Begriff der Besatzungstruppen nicht Kommandos aus, die sich nur für kurze Zeit in das Land begeben, dort eine Mission verrichten und es dann wieder verlassen. Das ist eine vielleicht sogar bewusste Lücke in dieser Resolution, die noch außerordentlich gefährlich werden kann.

Es gibt offensichtlich bereits Uneinigkeit, beispielsweise zwischen der Arabischen Liga, auf deren Initiative der Sicherheitsratsbeschluss zurückgeht, und den Staaten, die die Angriffe jetzt ausführen.
Das ist richtig. Aber da muss man der Arabischen Liga wirklich eine fahrlässige Einschätzung attestieren. Sie hätte wissen müssen, dass es der »Koalition der Willigen«, angeführt von den USA, Frankreich und Großbritannien, im Grunde um einen Regime-Wechsel, um den Sturz Gaddafis geht. Dieses allerdings ist ausdrücklich nicht Ziel der Resolution.
Dies ist ihre Schwäche: die Diskrepanz zwischen den Zielsetzungen der »Koalition der Willigen« und dem, was der Sicherheitsrat eigentlich bewilligt hat. Dieser hat lediglich den Schutz der Zivilbevölkerung und die Einrichtung einer Flugverbotszone verfügt. Allerdings ist zu erwarten, dass die »Koalition der Willigen« dieses Mandat aufs Äußerste strapazieren wird und dass die Zahl der Opfer unter den Zivilisten jetzt bei Weitem höher ist als vor dem Mandat.
Die Arabische Liga hat jetzt ihr Unverständnis darüber geäußert, wie die NATO, speziell Frankreich, handelt. Kann sie ihr Mandat zurücknehmen?

Ja, die Arabische Liga kann ihre Unterstützung für das, was dort geschieht, aufgeben. Das allerdings bliebe eine rein politische Erklärung. Sie delegitimiert das, was dort jetzt mit Hilfe des Mandats geschieht, in erheblichem Maße. Für die Sicherheitsratsresolution hat es aber keine Bedeutung, die kann allein der Sicherheitsrat wieder zurücknehmen.

Wie bewerten Sie denn die deutsche Debatte? Grüne und SPD-Politiker greifen die Bundesregierung an, weil sie im Sicherheitsrat nicht mit Ja gestimmt, sondern sich der Stimme enthalten hat.

Es ist das, was im Bundestag ja nicht erlaubt wurde, als das zu benennen, was es ist – nämlich Kriegstreiberei. Ich muss in diesem Falle Außenminister Westerwelle attestieren, dass er sich sehr umsichtig und sehr klug verhalten hat. Wahrscheinlich hat er die warnenden Stimmen wahrgenommen, dass es kaum bei einer schnellen Intervention aus der Luft bleiben kann; dass es enorme Opfer unter der Zivilbevölkerung geben wird und einen langfristigen Krieg nach sich ziehen kann. Im Grunde droht ein weiteres Abenteuer spatkolonialer Art nach Afghanistan, nach Jugoslawien und nach Irak.
Ich halte die Argumentation bei den Grünen ebenso wie bei Teilen der SPD für verlogen. Sie sollten sich ganz genau darüber Rechenschaft ablegen, was dort jetzt geschieht. Es ist klar, dass Gaddafi dabei gestoppt werden muss, auf seine Landsleute zu schießen, aber deswegen einen Krieg zu inszenieren, ist eine absolut falsche Alternative. Sie vernachlässigt alle Angebote und Möglichkeiten zu einer diplomatischen Lösung.

Auch die NATO ist sich nicht einig. Es heißt deshalb jetzt, der Krieg wird außerhalb der NATO geführt. Ist es denn nicht notwendig, dass es eines Beschlusses bedarf, um die Struktur des Bündnisses im Kriegsfalle zu nutzen?

Zum Glück sehen nicht alle Staaten eine Notwendigkeit zum Krieg wie Sarkozy. Die NATO muss einstimmig entscheiden, eine, wie ich finde, segensreiche Bremse gegen allzu schneidige Kriegseinsätze.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Friedensbewegung hierzulande, mit juristischen Mitteln dafür zu wirken, dass es wenigstens zu keiner direkten deutschen Kriegsbeteiligung kommt?

Juristische Mittel gibt es hier meines Erachtens nicht. Politische allerdings. Man sollte klar die hinter dem Krieg liegenden Motive ansprechen; dass es hier um einen Staat geht, der über erhebliche Ölvorkommen verfügt und der bislang die EU bei der Abwehr von illegaler Einwanderung unterstützt hat.
Man sollte auch darauf hinweisen, dass der Westen gegenüber Saudi-Arabien, einem Staat, in dem die Menschenrechtssituation keinen Deut besser ist als in Libyen, nie so etwas unternehmen würde, solange er die Interessen der NATO-Staaten hoch hält. Man sollte auf diese Verlogenheit, diese Doppelstandards hinweisen und vor allem darauf: Menschenrechte können nicht durch Krieg gesichert, garantiert und auch nicht wiederhergestellt werden.

Seit dem Wochenende greifen mehrere NATO-Staaten Libyen mit Bombern und Marschflugkörpern an. Sie berufen sich dabei auf die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates. Zu recht? Über völkerrechtliche Aspekte des Krieges gegen Libyen sprach mit Norman Paech (Jahrgang 1938), emeritierter Professor für Öffentliches Recht und ehemaliger außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der LINKEN, für Neues Deutschland Roland Etzel.

Verlogene Argumente der »Koalition der Willigen«
Norman Paech: Menschenrechte kann man nicht mit Krieg sichern
Seit dem Wochenende laufen die Angriffe der vor allen Dingen französischen Streitkräfte auf Libyen. Paris bezieht sich dabei auf eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates. Legitimiert sie diesen Krieg?

Der UNO-Sicherheitsrat hat es sich vielleicht etwas leicht gemacht, indem er den Bürgerkrieg, den es dort gibt, einfach als einen Krieg ansah, der die internationale Sicherheit und den internationalen Frieden gefährdet. Das ist die Voraussetzung, um als Sicherheitsrat das Mandat zu erteilen, dort eingreifen zu können.
An sich darf niemand von außen in einen Bürgerkrieg auf der einen oder anderen Seite eingreifen. Das darf allein der Sicherheitsrat. Formal unantastbar hat er das auf der Basis von Artikel 39 und 42 der UNO-Charta getan. Das ist die juristische Bewertung. Die politischen Motive, die dahinter stehen, insbesondere bei denen, die diese Resolution wollten, sind offensichtlich ganz anders zu bewerten.

Mit dem Beschluss sollte vorgeblich die Zivilbevölkerung geschützt werden. Ist mit seinem Inkrafttreten automatisch ein Blankoscheck zum militärischen Eingreifen an alle Staaten ergangen? Oder bedarf es dazu noch eines speziellen Mandats?

Nein, das Mandat ist eine für solche Maßnahmen juristisch zutreffende Grundlage. Die Schwäche der Resolution betrifft allerdings zweierlei. Sie gibt nicht genau an, worin sie die Gefährdung des internationalen Friedens durch Libyen eigentlich sieht. Das ist die Voraussetzung des Artikels 39. Allein die Verletzung von Menschenrechten ist nicht immer die zulässige Begründung oder die zutreffende Begründung dafür, dass der internationale Frieden verletzt ist. Wir hatten so etwas schon 1991, als es um den Schutz der Kurden im Norden Iraks ging. Dort konnte der Sicherheitsrat das zögernde China nur deswegen zur Stimmenhaltung bewegen, weil er auf die Flut von Flüchtlingen in die Nachbarländer hinwies.
Es gibt ein zweites Problem dieser Resolution. Es wird ausdrücklich verboten, Besatzungstruppen in das Gebiet zu senden. Allerdings schließt der Begriff der Besatzungstruppen nicht Kommandos aus, die sich nur für kurze Zeit in das Land begeben, dort eine Mission verrichten und es dann wieder verlassen. Das ist eine vielleicht sogar bewusste Lücke in dieser Resolution, die noch außerordentlich gefährlich werden kann.

Es gibt offensichtlich bereits Uneinigkeit, beispielsweise zwischen der Arabischen Liga, auf deren Initiative der Sicherheitsratsbeschluss zurückgeht, und den Staaten, die die Angriffe jetzt ausführen.
Das ist richtig. Aber da muss man der Arabischen Liga wirklich eine fahrlässige Einschätzung attestieren. Sie hätte wissen müssen, dass es der »Koalition der Willigen«, angeführt von den USA, Frankreich und Großbritannien, im Grunde um einen Regime-Wechsel, um den Sturz Gaddafis geht. Dieses allerdings ist ausdrücklich nicht Ziel der Resolution.
Dies ist ihre Schwäche: die Diskrepanz zwischen den Zielsetzungen der »Koalition der Willigen« und dem, was der Sicherheitsrat eigentlich bewilligt hat. Dieser hat lediglich den Schutz der Zivilbevölkerung und die Einrichtung einer Flugverbotszone verfügt. Allerdings ist zu erwarten, dass die »Koalition der Willigen« dieses Mandat aufs Äußerste strapazieren wird und dass die Zahl der Opfer unter den Zivilisten jetzt bei Weitem höher ist als vor dem Mandat.
Die Arabische Liga hat jetzt ihr Unverständnis darüber geäußert, wie die NATO, speziell Frankreich, handelt. Kann sie ihr Mandat zurücknehmen?

Ja, die Arabische Liga kann ihre Unterstützung für das, was dort geschieht, aufgeben. Das allerdings bliebe eine rein politische Erklärung. Sie delegitimiert das, was dort jetzt mit Hilfe des Mandats geschieht, in erheblichem Maße. Für die Sicherheitsratsresolution hat es aber keine Bedeutung, die kann allein der Sicherheitsrat wieder zurücknehmen.

Wie bewerten Sie denn die deutsche Debatte? Grüne und SPD-Politiker greifen die Bundesregierung an, weil sie im Sicherheitsrat nicht mit Ja gestimmt, sondern sich der Stimme enthalten hat.

Es ist das, was im Bundestag ja nicht erlaubt wurde, als das zu benennen, was es ist – nämlich Kriegstreiberei. Ich muss in diesem Falle Außenminister Westerwelle attestieren, dass er sich sehr umsichtig und sehr klug verhalten hat. Wahrscheinlich hat er die warnenden Stimmen wahrgenommen, dass es kaum bei einer schnellen Intervention aus der Luft bleiben kann; dass es enorme Opfer unter der Zivilbevölkerung geben wird und einen langfristigen Krieg nach sich ziehen kann. Im Grunde droht ein weiteres Abenteuer spatkolonialer Art nach Afghanistan, nach Jugoslawien und nach Irak.
Ich halte die Argumentation bei den Grünen ebenso wie bei Teilen der SPD für verlogen. Sie sollten sich ganz genau darüber Rechenschaft ablegen, was dort jetzt geschieht. Es ist klar, dass Gaddafi dabei gestoppt werden muss, auf seine Landsleute zu schießen, aber deswegen einen Krieg zu inszenieren, ist eine absolut falsche Alternative. Sie vernachlässigt alle Angebote und Möglichkeiten zu einer diplomatischen Lösung.

Auch die NATO ist sich nicht einig. Es heißt deshalb jetzt, der Krieg wird außerhalb der NATO geführt. Ist es denn nicht notwendig, dass es eines Beschlusses bedarf, um die Struktur des Bündnisses im Kriegsfalle zu nutzen?

Zum Glück sehen nicht alle Staaten eine Notwendigkeit zum Krieg wie Sarkozy. Die NATO muss einstimmig entscheiden, eine, wie ich finde, segensreiche Bremse gegen allzu schneidige Kriegseinsätze.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Friedensbewegung hierzulande, mit juristischen Mitteln dafür zu wirken, dass es wenigstens zu keiner direkten deutschen Kriegsbeteiligung kommt?

Juristische Mittel gibt es hier meines Erachtens nicht. Politische allerdings. Man sollte klar die hinter dem Krieg liegenden Motive ansprechen; dass es hier um einen Staat geht, der über erhebliche Ölvorkommen verfügt und der bislang die EU bei der Abwehr von illegaler Einwanderung unterstützt hat.
Man sollte auch darauf hinweisen, dass der Westen gegenüber Saudi-Arabien, einem Staat, in dem die Menschenrechtssituation keinen Deut besser ist als in Libyen, nie so etwas unternehmen würde, solange er die Interessen der NATO-Staaten hoch hält. Man sollte auf diese Verlogenheit, diese Doppelstandards hinweisen und vor allem darauf: Menschenrechte können nicht durch Krieg gesichert, garantiert und auch nicht wiederhergestellt werden.

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Thema: RechtInternational

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