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Demokratieverweigerung und Politische Justiz gegen KurdInnen in der Türkei

Montag, 30. Juli 2012 | Autor: hfe | Diese Seite als PDF herunterladen

Anmerkungen zu den KCK-Verfahren

Von Mehmet Desde,

Menschenrechtsaktivist und Prozessbeobachter

In der Türkei herrscht Krieg; seit nunmehr über 25 Jahren; jedenfalls wenn man ihn als „bewaffnete Auseinandersetzung, bei der im Jahr mehr als 200 Menschen sterben …“ versteht. Dieser Krieg bestimmt das gesamte soziale und politische Leben in der Türkei und Nordkurdistan. Er hat mein Leben verändert: Meine Heimatstadt – im Pass vermerkt – liegt im Kriegsgebiet. Als Kurde war ich schon verdächtig. Meine Herkunft lieferte mich der Polizei und Justiz aus. Ich wurde gefoltert und unschuldig verurteilt – wie viele andere.

In diesem Artikel werden nicht die Probleme der Kurden in der Türkei, sondern die geschichtliche Entwicklung und die Massaker an den Kurden behandelt. Hier geht es um einen Teil der KCK- (Union der Gemeinschaften Kurdistans) Verfahren. Aber zunächst möchte ich kurz über das “Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus”, das die Grundlage der Verfahren bildet, informieren.

“Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus”

Das “Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus” (das Anti-Terror Gesetz = ATG) wurde am 12.04.1991 verabschiedet. Danach wurden an dem Gesetz viele Änderungen vorgenommen. Am 29.06.2006 wurde das neue “Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus” verabschiedet. Es trat am 18.07.2006 in Kraft. Das neue ATG ist wichtig, um zu beschreiben, welchen Weg die Türkei eingeschlagen hat. Unter dem Vorwand des “Kampfes gegen Terror” wurde ein System geschaffen, das die persönlichen Rechte und Freiheiten missachtet, verletzt und die Sicherheit der Individuen beseitigt. Wer Meinungen äußert, schreibt und in Opposition zum Staat steht, wird vor Sondergerichten angeklagt und ins Gefängnis gesteckt. In diesem Zusammenhang muss folgende Frage gestellt werden: Was sind die Maßstäbe, um in der Türkei als “Terrororganisation” zu gelten? Alle illegalen Strukturen und Einrichtungen, die nicht das türkische Staatssystem vertreten, oppositionell sind, gelten als “Terrororganisation”. Einige Einrichtungen und Personen, die nicht als “Terrororganisation” gelten, werden unter dem Vorwand der Unterstützung von “Terrororganisationen” angeklagt und verurteilt.

Das “Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus” sieht vor, dass die Strafen für “Schuldige” um die Hälfte angehoben werden. Für jedes Delikt werden gesonderte Strafen verhängt. Die angehobenen Strafen gehen bis zu erschwerte lebenslange Haft. Wenn die Vergehen mit Hilfe der Presse oder Publikationen begangen werden, dann werden die Verantwortlichen der Publikation, die nicht am Vergehen beteiligt waren, mit Geldstrafen von 1000 bis 10.000 Tagessätzen belegt. Gründer und Leiter von “Terrororganisationen” werden nach Artikel 314 des Türkischen Strafgesetzes (TSG) angeklagt und mit Haftstrafen von 10 bis 15 Jahren verurteilt. Wer Aktionen der Organisation veranstaltet, wird als Leiter der Organisation bestraft. Mitglieder der Organisationen erhalten Strafen von fünf bis 10 Jahren Haft. Wer Propaganda für eine “Terrororganisation” betreibt, erhält eine Strafe von ein bis drei Jahren Haft. Wenn dieses Delikt mit Hilfe der Presse oder Publikationen begangen wird, wird die Strafe um die Hälfte angehoben. Neben einer Geldstrafe werden Herausgeber und Verantwortliche von Publikationen, die nicht an der Straftat beteiligt waren, auch bestraft. Wer bei Versammlungen oder Demonstrationen sein Gesicht verhüllt, Embleme oder Zeichen der Organisation trägt, Parolen ruft, Tongeräte benutzt, Einheitskleidung trägt wird wegen “Terrortat” bestraft. Wenn diese Vergehen in geschlossenen Räumen stattfinden, dann werden die Strafen um die Hälfte angehoben.

Im ATG werden unter dem Begriff “Terrortäter” Personen, die als Mitglieder der Organisationen, die zum Erreichen der Ziele gebildet wurden, im Sinne dieser Ziele mit anderen oder alleine Straftaten verüben, selbst dann als Terrortäter behandelt, wenn sie die Straftat nicht begehen. Wer einer “Terrororganisation” nicht angehört, aber Straftaten im Namen der Organisation begeht, gilt als “Terrortäter”. Eine Person, die keiner “Terrororganisation” angehört, wird sowohl für die begangene Straftat als auch für Mitgliedschaft in der Organisation bestraft. Vermummung wurde zu einer gesonderten Straftat. Jeder, der sein Gesicht verhüllt, um nicht notiert zu werden, nicht möchte, dass sein Gesicht in der Presse erscheint, wird mit einer Haftstrafe von ein bis fünf Jahren belegt.

Die “Terrortäter” werden alle vor Strafkammern mit Sonderbefugnissen angeklagt. Falls es die Ermittlungen gefährdet, darf auf Anweisung des Staatsanwalts nur ein Verwandter von einer Festnahme unterrichtet werden. Ein Verdächtiger darf nur die Hilfe eines Anwalts in Anspruch nehmen. Das Recht auf ein Gespräch des Verdächtigen mit seinem Anwalt kann auf Anweisung des Staatsanwalts 24 Stunden verschoben werden. Allerdings darf der Verdächtige in dieser Zeit nicht einvernommen werden. Was aber passiert in diesen 24 Stunden? Es wurde durch Gesetz garantiert, dass der Verdächtige in den 24 Stunden nicht gefoltert oder misshandelt wird. Auch wenn die Person unter einem Sondergesetz angeklagt ist, besteht das Recht auf ein faires Verfahren. Es ist auf Anweisung des Staatsanwalts und richterlichen Beschluss möglich, das Recht des Anwalts auf Akteneinsicht und Anfertigen von Kopien zu beschränken. Wiederum auf Anweisung des Staatsanwalts und richterlichen Beschluss ist ein Beamter beim Anwaltsgespräch anwesend und kontrolliert die Dokumente, die ausgetauscht werden. Nach dem ATG werden die Strafen nicht zur Bewährung ausgesetzt und auch nicht in Geldstrafen verwandelt. Wenn Polizisten wegen Folter oder Misshandlung vor Gericht kommen, werden ihnen drei Anwälte zur Seite/zur Verfügung gestellt und deren Kosten werden vom Staat übernommen.

Regionalwahlen 2009 – Verhaftungswelle gegen Abgeordnete

Am 29. März 2009 fanden in der Türkei regionale Wahlen statt. Der Vorgänger, der BDP die Partei der Demokratischen Gesellschaft (DTP) erreichte dabei 2.566.000 Stimmen und stellte danach in 99 Orten den Bürgermeister. Die BDP führte einen Wahlkampf ohne gleiche Rechte mit den Staatsparteien zu haben. Allen Behinderungen zum Trotz erhöhte die BDP den Stimmenanteil und bei den Bürgermeistern wurden bislang 56 Ämter auf 99 erhöht. Die BDP hatte bei den lokalen Wahlen gesiegt. Der Sieg der BDP gefiel einigen Kreisen nicht. 16 Tage nach den regionalen Wahlen wurden am 14. April 2009 54 Leiter und Mitglieder der BDP festgenommen. Das war die erste Verhaftungswelle unter dem Namen KCK (Union der Gemeinschaften Kurdistans). Es wird behauptet, dass die KCK die städtische Struktur der PKK sei! Bei dieser ersten Verhaftungsgwelle, die auf seit 2007 abgehörten Telefonaten und Gesprächen im freien Gelände sowie technischer Überwachung beruhte, wurden Haftbefehle gegen 51 Personen ausgestellt.

Die KCK Operation, die im April 2009 begannen, gingen am Ende des Jahres mit Verhaftungen vor allem in den Provinzen Diyarbakır, Şırnak, Batman, Mardin, Van, Adana, Mersin, Gaziantep, Şanlıurfa, Hakkâri, Siirt und vielen anderen Provinzen zu unterschiedlichen Zeiten weiter. Von den Verhaftungen waren Mitglieder der BDP, Politiker, Funktionäre, Angestellte, Mitglieder von Jugendparlamenten, Menschenrechtler, Gewerkschafter, Mitglieder von Frauenorganisationen und Unterstützer der BDP betroffen. Als Folge der Verhaftungen wurden in jeder Provinz mit speziellen Strafkammern KCK-Verfahren eröffnet.

Während die KCK-Verfahren liefen, wurde auf der anderen Seite die “kurdische Öffnung”, das “Projekt nationaler Brüderschaft” und die Ausschaltung der PKK von der AKP Regierung beschleunigt! Während die Diskussion um die Öffnung andauerte, kamen auf den Aufruf von Abdullah Öcalan am 19. Oktober 2009 26 Personen aus dem Lager Mahmur im Nordirak (darunter vier Kinder) und aus den Kandil-Bergen acht Guerilla, also 34 Personen über den Grenzposten Habur in die Türkei. Nach einer Befragung wurden die Angekommenen frei gelassen. Die Ankömmlinge wurden von Hunderttausenden von Menschen begrüßt. Die Begrüßungsfeste und die Tatsache, dass die Angekommenen frei kamen, führte zu Unmut bei Parteien der Opposition. Nachdem sich auch der Generalstab geäußert hatte, beteiligte sich auch die AKP an diesem Chor. Gegen die Angekommenen wurden Strafverfahren eröffnet. Am 11. Oktober 2011 ging ein Verfahren gegen drei Inhaftierte und vier per Haftbefehl gesuchte Personen zu Ende. Die 5. Strafkammer in Diyarbakır verurteilte die aus Kandil und Mahmur gekommenen Angeklagten wegen Reden bei der Begrüßungsfeier und Aktionen in den kurdischen Provinzen zu Strafen zwischen 7 und 10 Jahren Haft. Die vier Bestraften und die anderen Rückkehrer waren zuvor gezwungen gewesen, wieder nach Südkurdistan zurückzukehren.

Während die Diskussion um die „Öffnung“ andauerte, ging auch der Druck auf die Kurden unvermindert weiter. Am 11. Dezember 2009 wurde die DTP auf Beschluss des Verfassungsgerichts geschlossen. Ahmet Türk und Aysel Tuğluk wurde ihr Mandat als Abgeordnete entzogen. Am 24. Dezember 2009 folgte eine weitere Verhaftungswelle gegen die KCK. Dabei wurden Bürgermeister, Menschenrechtler und Funktionäre der nach der DTP gegründeten BDP verhaftet. Es wurden Bilder veröffentlicht, auf denen die Bürgermeister und gewählten Gemeinderäten der BDP im Garten des Polizeipräsidiums von Diyarbakır in Handschellen und in einer Reihe hintereinander der Presse vorgeführt wurden. Das erinnerte an die KZs der Nazis. Die Botschaft dieser Bilder an die kurdische Bevölkerung war eindeutig. Sie wollten, dass sich diese Botschaft im Gedächtnis des kurdischen Volkes festsetzte!

In den vergangenen drei Jahren wurden unzählige KCK-Operationen durchgeführt. Es wurden viele KCK-Verfahren eröffnet. Sie gibt es zum Beispiel für Batman drei und für Şırnak 5 gesonderte KCK-Verfahren. Es gibt ein KCK-Verfahren für Aydın. Dieses Verfahren wird vor dem Sondergericht in Izmir durchgeführt. Es gibt an allen Sondergerichten der Türkei (Ankara, İstanbul, İzmir, Adana, Malatya, Erzurum, Diyarbakır und Van) KCK-Verfahren.

BDP als Zielscheibe nach Parlamentswahlen 2011

Am 12. Juni 2011 fanden in der Türkei allgemeine Wahlen statt. Vor den Wahlen nutzte der türkische Staat jedes Mittel, um einen Einzug von Vertretern des kurdischen Volkes ins Parlament zu verhindern. Aufgrund der 10 % Hürde, die soweit ich weiß, sonst in keinem demokratischen Land der Welt gilt, stellte sich die BDP mit unabhängigen Kandidaten zur Wahl. Die Bedingungen waren nicht gleich. Um den Erfolg des Wahlblocks für Arbeit, Freiheit und Demokratie zu verhindern, wurden ihm Hindernisse in den Weg gestellt. Militärische Operationen und KCK Beschuldigungen gegen die Politiker der BDP gingen während der Wahlkampagne in gleicher Schärfe weiter. Der Hohe Wahlrat (YSK) versuchte die Kandidatur von einigen unabhängigen Kandidaten der BDP per Beschluss zu verhindern. Allen Behinderungen des Staates zum Trotz erhöhte der Block für Arbeit, Freiheit und Demokratie seine Stimmen und steigerte die Zahl der Abgeordneten von 22 auf 36. Der in Diyarbakır wegen des KCK-Verfahrens inhaftierte Mehmet Hatip Dicle wurde mit 78.220 ins Parlament gewählt. Der YSK erklärte um Mitternacht des 21. Juni das Mandat von Mehmet Hatip Dicle für ungültig. Anträge auf Haftentlassung der anderen fünf Kandidaten des Blocks für Arbeit, Freiheit und Demokratie, die ins Parlament gewählt worden waren, Selma Irmak (Şırnak), Faysal Sarıyıldız (Şırnak), Gülseren Yıldırım (Mardin), İbrahim Ayhan (Urfa) und Kemal Aktaş (Van) wurden abgelehnt.

Die BDP war zur Zielscheibe geworden. Die Operationen waren nicht darauf angelegt, der KCK, sondern der BDP ein Ende zu bereiten. Durch die Explosion einer Mine auf der Straße zwischen Hakkari und Çukurca starben am 17. August 2011 8 Soldaten und ein Dorfschützer. Am folgenden Tag sagte der Premierminister den Journalisten: “Wir sind am Punkt angekommen, an dem Worte nicht mehr zählen. Von nun an wird nicht mehr geredet, sondern gehandelt.” Die türkische Armee führt Krieg. Berge werden bombardiert, Wälder werden in Brand gesteckt, es werden verbotene Zonen ausgerufen, Hochweiden werden entvölkert usw. Der militärische Krieg geht mit einem psychologischen, politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Krieg einher. Die Medien der Soldaten spielt eine wichtige Rolle im Krieg. Jeden Tag sind die Schlagzeilen wie “wir haben sie beendet, vernichtet” zu lesen, zu hören und zu sehen.

Am 1. Oktober 2011 legten die BDP Abgeordneten ihren Eid ab und begannen ihre Arbeit. Die BDP war ins Parlament eingezogen, aber die Operationen über die Grenzen oder in den Grenzen hielten unvermindert an. Im Gebiet von Kurdistan nahm der Krieg an Heftigkeit zu und Festnahmen waren an der Tagesordnung.

Drei Tage nach dem Eid der BDP kam es bei parallelen Operationen in İstanbul, Diyarbakır, Batman, Ankara, Mardin, Adıyaman, Siirt, İzmir, Şanlıurfa und Gaziantep am 4. Oktober 2011 zu Razzien auf Wohnungen, bei denen 146 Mitglieder und Leiter der BDP als Mitglieder der illegalen KCK festgenommen wurden. Dies war die bisher größte Verhaftungswelle gegen die BDP. Die BDP sollte ins Parlament kommen und als sie es tat, wurde auf den Knopf gedrückt. Bei der Operation am 28. Oktober 2011 wurden wieder Mitglieder und Leiter der BDP festgenommen. Unter den 44 Verhafteten waren Prof. Dr Büşra Ersanlı, die dem Parteiparlament und dem Verfassungsausschuss angehörte, Mustafa Avcı und der Schriftsteller und Verleger Ragıp Zarakolu.

Politische Justiz bei KCK Verfahren

Das zentrale KCK Verfahren findet in Diyarbakır statt. Während die KCK Operationen andauerten, wurde den Angeklagten in Diyarbakır nicht gestattet, sich in ihrer Muttersprache zu verteidigen und es wurde im Protokoll notiert, dass sie eine unbekannte Sprache sprachen. Ich möchte den Lesern kurze Informationen zum Verfahren geben.

Das KCK-Verfahren zielt seit dem Anfang auf Personen an, die nie eine Waffe in der Hand hatten und bei denen es auch keinen Verdacht gibt, dass sie es jemals tun werden. Nach der Anklageschrift werden die KCK-Angeklagten damit beschuldigt, dass sie Demonstrationen zum Weltfrauentag am 8. März, zum Newroz-Fest veranstaltet und sich daran beteiligt haben, dass sie Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einreichten und die Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention für sich in Anspruch nahmen. Die Menschen, die am 14. April 2009 in Haft genommen wurden, kamen nach 17 Monaten vor Gericht. Vor der 6. Strafkammer mit Sonderrechten in Diyarbakır fand ein Theaterschauspiel statt. Diese Menschen wollten sich in ihrer Muttersprache verteidigen. Das Gericht ließ protokollieren, dass eine von Millionen Menschen gesprochene Sprache nicht bekannt sei. Denjenigen, die sich in ihrer Muttersprache verteidigen wollten, wurde schon beim zweiten Satz das Mikrofon abgeschaltet. Im KCK-Hauptverfahren von Diyarbakır wurden bisher 44 Sitzungen abgehalten. In dem Verfahren wird nach Aktenlage vorgegangen, ohne die Angeklagten anzuhören.

Dies ist ein politisches Verfahren. Das KCK-Verfahren von Diyarbakır, in dem Hunderte von Angeklagten inhaftiert sind, wurde eines der größten Verfahren der Türkei, das offenlegte, dass auf Recht gepfiffen wird. Die Ermittlungen wurden zuerst von Beamten des Innenministeriums und dann von Staatsanwälten des Justizministeriums mit Sonderrechten geführt. In dem Verfahren sind die vom Volk gewählten Bürgermeister, Gemeinderäte, Anwälte, die sich um Menschenrechte kümmern und führende Intellektuelle der Region angeklagt. Obwohl das Recht auf Verteidigung in der Muttersprache ein verbrieftes Recht ist, erkennt das Gericht dieses Recht nicht an. Das Gericht spricht von einer unbekannten Sprache und sagt, dass die Aussagen der Angeklagten nicht aufgenommen werden können, weil sie in einer Sprache sprechen, von der angenommen wird, dass es Kurdisch sei. Im staatlichen Fernsehen der Türkei werden 24 Stunden lang Sendungen in Kurdisch ausgestrahlt, aber ein Richter des türkischen Staates erklärt die Sprache der Menschen, die Kurdisch reden, zu einer unbekannten Sprache.

Artikel 202 der Strafprozessordnung bestimmt, dass ein Angeklagter sich in der Sprache verteidigen kann, in der er sein Anliegen am besten vorbringen kann. Es geht also nicht darum, ob jemand Türkisch kann oder nicht, sondern um das Recht, sein Anliegen in der Sprache vorzubringen, in der man es am besten ausdrücken kann. Zudem sichert auch das Lausanne Abkommen im Artikel 39 das Recht zu. Aber das türkische Gericht sieht es nicht als notwendig an, die eigenen Gesetze anzuwenden. All diese Praktiken bedeuten, dass die einfachsten demokratischen Forderungen in der Türkei übersehen werden.

Meral Danış Beştaş, die stellvertretende Vorsitzende der BDP, die für Rechtsfragen zuständig ist, gab bekannt, dass seit dem 14. April 2009 7.748 Menschen festgenommen und von ihnen 3.895 in Untersuchungshaft kamen. Diese Zahlen ändern sich ständig. Denn es gibt weitere Operationen, Festnahmen und Verhaftungen. Wenn das Volk und die Minderheiten, die der türkische Staat gewaltsam und mit Zwang unter ihrer Vorherrschaft hält, ihr eigenes Recht einfordern, dass geht es in der unverändert existierenden Politik darum, das Problem durch seine Beseitigung zu lösen. Der türkische Staat nutzt all seine Mittel, um jeden Tag türkischen Rassismus und Chauvinismus anzuheizen.

Krieg gegen die Kurden

Die Türkei ist noch immer kein Rechtsstaat. Im Mittelpunkt steht der Schutz des Staates. Richter sehen sich als dessen Hüter. Die Gerichte sind nicht unabhängig und fällen gegen Abweichler von der kemalistischen Ideologie politische Urteile; Folter ist Teil der Repression. – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei immer wieder verurteilt – Wer sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung auflehnt, für seine Rechte und die anderer eintritt, gehört zu den „Anderen“. Auf eine Mitgliedschaft in einer politischen Gruppierung kommt es nicht an.

Gegen die Kurden wird in allen Bereichen ein totaler Krieg geführt. Die AKP Regierung führt ihre Angriffe gegen das kurdische Volk, die Demokraten, Fortgeschrittenen, Revolutionäre und Kommunisten aus der Türkei fort. Die kurdische Frage wird blutig unterdrückt. Es wird nicht einmal geduldet, dass die Kurden ihre eigene Identität annehmen und ihnen Rechte gegeben werden, die sie im bestehenden System fordern. Dem türkischen Staat zufolge muss jeder sich als Türke ansehen, den türkischen Rassismus und Chauvinismus akzeptieren und sich dem Staat unterwerfen, um ein Recht auf Leben zu haben. Sie sagen, seid wie wir, redet wie wir. Zu den Angriffen auf das kurdische Volk, die Demokraten, Fortschrittlichen und Kommunisten kommen täglich neue. Es wird eine aggressive Atmosphäre von Übergriffen auf alle Oppositionellen am Staat, die Presse, Personen und Einrichtungen geschürt. Wir sehen und erleben täglich, was die “Experten-/Meisterphase” und die “fortschrittliche Demokratie” der AKP Regierung bedeuten.

Mehmet DESDE

23 April 2012

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Thema: RechtInternational, Staat Demokratie BürgerInnenrechte

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