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Die Grundfreiheiten des Kapitals im Widerspruch zu den sozialen Grundrechten – schafft der EuGH eine neue Werteordnung?

Samstag, 25. April 2009 | Autor: hfe | Diese Seite als PDF herunterladen

von Janeta Mileva

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen den sozialen Grundrechten und den Grundfreiheiten des EG-Binnenmarktes hat in den letzten zwei Jahren aufgrund einer Reihe von heftig debattierten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) massiv an Bedeutung gewonnen. Diese Gerichtsentscheide sind ins Zentrum rechtspolitischer Debatten gerückt und zum Gegenstand juristischer wie auch politikwissenschaftlicher Analysen geworden, da sie in die mitgliedstaatlichen sozialpolitischen Errungenschaften tief eingegriffen und letztere um das ungehinderte Funktionieren des europäischen Binnenmarktes Willen überrollt haben. Der vorliegende Beitrag versucht anhand eines kurzen Überblicks über die einzelnen EuGH-Urteile (1.) aufzuzeigen, wie ihre Leitsätze die Sozialverfassungen der EU-Mitgliedstaaten reorganisieren (2.). Dabei lässt sich erkennen, dass die dargestellten Urteile – im Kontext der die EU-Rechtsordnung konstitutionalisierenden Rechtsprechung des EuGH – zur kontinuierlichen Herausbildung einer neuen, neoliberalen Werteordnung innerhalb der EU beitragen (3.). Abschließend wird hier hinterfragt, welche Optionen zur korrigierenden Mitwirkung dabei den Mitgliedstaaten verbleiben (4.).

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    1. Zu den aktuellen Urteilen im Einzelnen

Im Fall „Viking” handelte es sich um das finnische Unternehmen Viking Line, das Eigentümer der zwischen Finnland und Estland verkehrenden Fähre Rosella war. Nachdem Viking Line beschlossen hatte, die Fähre in Estland umzuflaggen, um eine estnische Besatzung nach dem in Estland geltenden niedrigeren Lohnniveau beschäftigen zu können, kündigte die finnische Seeleute-Gewerkschaft (FSU) ihre Streikabsicht an. Gleichzeitig forderte die FSU Viking Line auf, im Falle einer Umflaggung das finnische Recht weiter zu beachten, die finnische Besatzung nicht zu entlassen und einen Tarifvertrag abzuschließen. Unterstützt wurde die finnische Gewerkschaft in ihren Forderungen von der Internationalen Transport-Föderation (ITF) mit Sitz in London. Viking Line beantragte eine Unterlassungsverfügung gegen die beiden Gewerkschaften. Auf Ersuchen des in diesem Fall zuständigen britischen Gerichts stellte der EuGH in seinem Urteil vom 11. Dezember 2007[1] fest, dass „kollektive Maßnahmen, die darauf abzielen, ein ausländisches Unternehmen zum Abschluss eines Tarifvertrags mit einer Gewerkschaft zu veranlassen, der dazu geeignet ist, das Unternehmen davon abzubringen, von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, (…), diese Freiheit” beschränken.[2]

Sieben Tage nach dem Viking-Urteil befasste sich der EuGH in der Sache „Laval” erneut mit der Vereinbarkeit kollektiver Maßnahmen mit den Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Hier ging es um die lettische Gesellschaft Laval, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Lettland nach Schweden entsandte, um eine Schule in der schwedischen Stadt Vaxholm zu renovieren. Die schwedische Baugewerkschaft und Laval nahmen Verhandlungen auf, da in Schweden der Mindestlohn für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht per Gesetz, sondern durch Tarifvertrag festgelegt wird. Laval unterzeichnete jedoch einen Tarifvertrag mit der lettischen Bauarbeitergewerkschaft und legte dadurch das lettische Recht mit den niedrigeren lettischen Beschäftigungsstandards für die Entsandten als anwendbar fest. Darauf blockierte die schwedische Gewerkschaft sämtliche Baustellen von Laval in Schweden, wobei sich auch die schwedische Elektrikergewerkschaft dem Arbeitskampf anschloss. Laval verklagte die beiden Gewerkschaften und beantragte Schadensersatz. Auf Ersuchen des zuständigen Gerichts stellte der EuGH in seinem Urteil vom 18. Dezember 2007[3] wie bereits in seinem Viking-Urteil[4] fest, dass das Streikrecht zwar anzuerkennen sei und ein fester Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts sei.[5] Dieses Recht vermöge sich jedoch nicht dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts (und damit insbesondere dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten) zu entziehen.[6] Das Mindestmaß an Schutz für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist laut EuGH in der Entsende-RL[7] festgelegt und den Versuch, durch Kollektivmaßnahmen ein Unternehmen zum Abschluss eines Tarifvertrags zu zwingen, der über den Mindestschutz der Entsende-RL hinausgeht, betrachtet der Gerichtshof als eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV.[8]

Im dritten Fall – „Rüffert” – überprüfte der EuGH die Europarechtskonformität des niedersächsischen Landesvergabegesetzes (NLvG). Dieses sah vor, dass öffentliche Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben sind, die sich bei der Vergabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens das am Ort der Auftragsausführung tariflich vorgesehene Entgelt zu bezahlen (§ 8 NLvG). Diese Verpflichtung galt auch für Nachunternehmen (§ 4 I NLvG), wobei es dem Auftragnehmer oblag, die Beachtung dieser Verpflichtung durch die Nachunternehmen zu überwachen. Diese Bestimmung (sog. Tariftreueverpflichtung oder Tariftreueklausel[9]) hatte zum Ziel, den unfairen Wettbewerb auf der Basis niedriger Löhne zu verhindern. Das Unternehmen Objekt und Bauregie (Auftragnehmer), an das der Bau der Justizvollzugsanstalt Göttingen-Rosdorf nach dem NLvG vergeben wurde, verpflichtete sich dazu, den für die Ausführung des Auftrags beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Entgelte zu zahlen, die im entsprechenden Tarifvertrag für Baugewerbe (Baugewerbe-TV) vorgesehen waren.[10] Der Auftragnehmer setzte für die Ausführung des Auftrags eine polnische Baufirma, die in Deutschland eine Niederlassung hatte, als Nachunternehmen ein. Bei einer Prüfung durch die Vergabestelle wurde festgestellt, dass die polnische Firma den von ihr beschäftigten entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur 46,57% des ihnen nach NLvG zustehenden Lohns bezahlte. Darauf wurde der Auftrag entzogen und der Auftragnehmer zog vor Gericht. Der EuGH, der vom zuständigen OLG Celle ersucht wurde, stellte in seinem Urteil vom 3. April 2008[11] fest, dass die Tariftreueverpflichtung des NLvG mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist.[12] Die Voraussetzungen, bei denen ein Mitgliedstaat Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, bei der staatenübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Mindestlöhne vorschreiben kann, sind nach EuGH durch die Entsende-RL abschließend geregelt: wenn es sich um gesetzlich festgelegte Mindestlohnsätze handelt oder um Lohnsätze, die sich aus einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag (Art. 3 Abs. 1 der Entsende-RL) oder aus einem Tarifvertrag ergeben, der für die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt (Art. 3 Abs. 8 UAbs. 2 der Entsende-RL).[13] Da der Baugewerbe-TV weder für allgemeinverbindlich erklärt worden sei noch für die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelte, widerspreche die Tariftreueverpflichtung des NLvG, die zur Einhaltung des Baugewerbe-TV verpflichte, der Entsende-RL und somit dem EU-Recht.[14] Im Kern ist aufgrund des EuGH-Urteils die Dienstleistungsfreiheit des EG-Binnenmarktes durch die Bestimmung des NLvG verletzt, da die Entsende-RL „insbesondere auf die Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs abzielt, der eine der vom EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten ist”[15].

Fast zwei Monate später überprüfte der EuGH im Urteil zum Fall Luxemburg die Vereinbarkeit des luxemburgischen Gesetzes zur Umsetzung der Entsende-RL (Entsendegesetz), welches die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des innerstaatlichen Arbeitsrechts auch für nach Luxemburg entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer festschrieb, mit dem EU-Recht. Nach dem luxemburgischen Entsendegesetz musste u.a. ein schriftlicher Arbeitsvertrag bzw. ein anderes Dokument über die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses vorliegen, der soziale Mindestlohn war an die Entwicklung der Lebenskosten automatisch anzupassen und die Vorschriften über die Arbeitszeit und die wöchentliche Ruhezeit wie auch die kollektiven Arbeitsverträge waren einzuhalten (Art. 1 Abs. 2 lux. Entsendegesetz). Um eine effektive Kontrolle zu gewährleisten, verpflichtete das Entsendegesetz die entsendenden Unternehmen auch dazu, bestimmte Angaben der zuständigen Aufsichtsbehörde vor Aufnahme der Arbeit zur Verfügung zu stellen (Art. 7 lux. Entsendegesetz) und die Unterlagen, die nach dem Gesetz einer Überprüfung durch diese Aufsichtsbehörde unterliegen, bei einem Ad-hoc-Vertreter in Luxemburg zu hinterlegen (Art. 8 lux. Entsendegesetz). Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 Abs. 2 EGV verurteilte der EuGH mit seinem Urteil vom 19. Juni 2008[16] den Staat Luxemburg wegen Verstoßes gegen die Entsende-RL und gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV. Damit wurde die Einhaltung des luxemburgischen Arbeitsrechts bei Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Luxemburg für gemeinschaftswidrig erklärt. Da sich die luxemburgische Regierung auf Art. 3 Abs. 10 der Entsende-RL berief, die den Mitgliedstaaten erlaubt, von den Bestimmungen der Entsende-RL „im Bereich der öffentlichen Ordnung” abzuweichen, d.h. höhere Standards bzw. strengere Vorschriften festzuschreiben, erklärte der EuGH: Die Vorschriften im Bereich der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 3 Abs. 10 der Entsende-RL stellen „eine Ausnahme vom fundamentalen Prinzip der Dienstleistungsfreiheit” dar.[17] Daher sei der Begriff „öffentliche Ordnung” eng auszulegen und seine Tragweite dürfe nicht einseitig und ohne Nachprüfung durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft von den Mitgliedstaaten bestimmt werden. Eine Berufung auf die öffentliche Ordnung sei nur dann möglich, „wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt”.[18] Der soziale Frieden und die soziale Wahrung der Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind jedenfalls nach EuGH kein solches „Grundinteresse der Gesellschaft”, das eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann.

Im jüngsten Urteil zum Fall „Cartesio” handelte es sich um das ungarische Unternehmen Cartesio mit Sitz in Baja (Ungarn), das im Jahre 2005 beim ungarischen Handelsregistergericht einen Antrag zur Änderung seines operativen Geschäftssitzes gestellt hatte. Das Unternehmen wollte seinen operativen Geschäftssitz nach Italien verlegen, zugleich jedoch seinen Rechtsstatut als ungarisches Unternehmen weiterhin beibehalten. Dies hätte zur Folge gehabt, dass trotz der Unternehmensverlagerung nach Italien für Cartesio weiterhin das ungarische Recht bindend gewesen wäre. Das ungarische Gericht wies den Antrag zurück mit dem Argument, dies sei nach dem ungarischen Recht unmöglich. Vielmehr müsse Cartesio in Ungarn aufgelöst und dann nach italienischem Recht neu gegründet werden. Das Gericht in Szeged, bei dem Cartesio gegen den Beschluss des Handelsregistergerichts klagte, setzte das Verfahren aus und ersuchte den EuGH, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV u.a. die Frage zu beantworten, ob die ungarische Regelung oder Praxis, wonach einem ungarischen Unternehmen verwehrt wird, seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat zu verlegen, mit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 und 48 EGV vereinbar sei. In seinem Urteil vom 18. Dezember 2008[19] erklärte der EuGH die angefochtenen ungarischen Vorschriften für mit der Niederlassungsfreiheit des EGV vereinbar.[20] Der Gerichtshof bestätigte zunächst seine Grundaussage von früheren Urteilen, dass eine nach nationalem Recht gegründete Gesellschaft jenseits dieser Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regelt, keine Realität besitzt.[21] Gleichwohl führte der EuGH aus, dass die Forderung nach Auflösung und Liquidation einer Gesellschaft als Voraussetzung für ihre Sitzverlagerung in einen anderen EU-Mitgliedstaat dem EU-Recht zuwiderlaufen, wenn die Sitzverlagerung mit einer gleichzeitigen Umwandlung der Gesellschaft nach dem nationalen Recht des Aufnahmestaates einhergeht, soweit dies nach diesem Recht möglich ist.[22] Der EuGH wies darauf hin, dass in diesem Fall sich auch das anwendbare Recht ändert und für die umgewandelte Gesellschaft das Recht des Mitgliedstaates gilt, in den der Sitz verlagert wurde. Jede nationalstaatliche Rechtsvorschrift, die eine solche Sitzverlagerung und damit eine solche Umwandlung von Gesellschaften verbietet, stellt nach dem Gerichtshof eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, die „wenn sie nicht zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht, nach Art. 43 EGV verboten ist”.[23]

    2. Der richtungweisende Charakter der EuGH-Urteile

Allen hier dargestellten EuGH-Urteilen ist gemein, dass sie eine neue Tendenz bei der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Grundfreiheiten des Binnenmarktes und sozialen Grundrechten der EU-Bürgerinnen und -Bürger aufzeigen: per Richterrecht wird den EG-Grundfreiheiten gegenüber den sozialen Grundrechten schrittweise ein weitreichender Vorrang eingeräumt.

Mit den Urteilen Viking und Laval aus dem Jahr 2007 leitet der EuGH eine Abwägung zwischen dem auf mitgliedstaatlicher Ebene gewährleisteten Recht auf Kollektivmaßnahmen und der Tarifautonomie gegenüber den unternehmerischen EG-Grundfreiheiten ein. Dabei ist die Ausgestaltung des Streikrechts nach dem Wortlaut des Art. 137 Abs. 5 EGV den Mitgliedstaaten überlassen, da ihre Sozialsysteme wie auch ihre Vorstellungen von Funktion und rechtlicher Wirkung der Tarifverhandlungen weitgehend voneinander abweichen.[24] Dennoch legt der EuGH fest, dass das Recht auf kollektive Maßnahmen dem Anwendungsbereich der europäischen Verträge nicht entzogen ist.[25] Dadurch beansprucht der Gerichtshof Kompetenzen in einem Politikbereich, für deren Reglementierung die EU nach den Verträgen gar nicht ermächtigt ist. Zugleich verschiebt der EuGH auf diese Weise die Grenzen des Gemeinschaftsrechts und der Autonomie der nationalstaatlichen Sozialverfassungen, indem er den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten wesentlich reduziert. Als ein Ausgleich hierfür erscheint in diesem Zusammenhang die Anerkennung des Streikrechts als ungeschriebenes Grundrecht der EU im Viking-[26] und im Laval-Urteil[27]. Allerdings spielt dieses Grundrecht bei der Frage der Rechtfertigung der Beschränkung der Grundfreiheiten durch die kollektiven Maßnahmen kaum eine Rolle. Es wird viel mehr unterstrichen, dass die Ausübung dieses Rechts „bestimmten Einschränkungen unterworfen werden” kann.[28] In Anlehnung an seine früheren Urteile[29] weist der EuGH darauf hin, dass das Streikrecht – ähnlich wie die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit wie auch die Menschenwürde – mit den Erfordernissen hinsichtlich der durch den Vertrag geschützten Rechte in Einklang gebracht werden muss.[30] Die sozialen Grundrechte und die Menschenwürde werden ihrer ursprünglicher Bedeutung und Inhalte entleert.[31] Im Rahmen der EU-Rechtsordnung ist der Schutz der sozialen Grundrechte und selbst der Menschenwürde nur dann zulässig, wenn er mit den Grundfreiheiten des Binnenmarktes im Einklang steht.

Es lässt sich feststellen, dass der EuGH zwar ein Gemeinschaftsstreikrecht anerkannt, diesem aber faktisch kaum Bedeutung beigemessen hat.[32] Obwohl die Gemeinschaft für die Regelung von Arbeitskämpfen nicht zuständig ist, hat der EuGH auf die nationalen Arbeitskampfordnungen zugegriffen und zwingt zu Änderungen an diesen. Die beiden Urteile belegen die schleichende Unterordnung der gesamten nationalen Rechtsordnungen unter die Regeln der Kapitalfreiheiten des Binnenmarktes. Die besondere Bedeutung der Urteile in den Fällen Viking und Laval besteht darin, dass mit diesen Urteilen des EuGH die Möglichkeit der prinzipiellen Einschränkung des Streikrechts zugunsten der EG-Grundfreiheiten als Grundsatz des europäischen Gemeinschaftsrechts festgeschrieben wird. Dieser Grundsatz hat zukünftig Vorrang vor dem ihm widersprechenden nationalen Recht der Mitgliedstaaten.

Die Ausflaggung im Viking-Fall ist zudem mit der Situation bei Produktionsverlagerung innerhalb der EG vergleichbar. In diesem Lichte zeigt sich eine zusätzliche Problematik des Viking-Urteils, da der auf nationalstaatlicher Ebene grundrechtlich garantierte Arbeitskampf den Beschäftigten bei transnationaler Produktionsverlagerung in der EU nicht mehr automatisch zur Verfügung steht. Die Missachtung der demokratischen und repräsentativen Funktion der autonomen Tarifverhandlungen durch den EuGH führt nach Einschätzung in der arbeitsrechtlichen Literatur zu einer Tarifzensur.[33] Die Laval-Entscheidung eröffnet ferner die Möglichkeit zur Tarifkonkurrenz mit ausländischen Tarifverträgen: denn wenn ein Gesetz, das nach ausländischem Recht abgeschlossene Tarifverträge nicht anerkennt (was beim schwedischen Gesetz der Fall war) vom EuGH für nicht vereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht erklärt wird, kann sich zukünftig die Frage stellen, unter welchen Voraussetzungen das nationale Recht einen nach ausländischem Recht abgeschlossenen Tarifvertrag anerkennen muss.

Das Rüffert-Urteil des EuGH – im Unterschied zu den EuGH-Urteile Viking und Laval – hat eine unmittelbare Auswirkung auf das deutsche Recht, da das Bundesland Niedersachsen in diesem Falle eine der streitenden Parteien war. Das Rüffert-Urteil schreibt einen äußerst engen rechtlichen Rahmen fest, in dem die nationalen Tariftreuegesetze überhaupt zur Geltung kommen können, ohne europäisches Recht zu verletzen: Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann demnach von der Verpflichtung zur Einhaltung von Tarifverträgen, die am Auftragsausführungsort anwendbar sind, nur dann abhängig gemacht werden, wenn es sich um Tarifverträge handelt, die für allgemeinverbindlich erklärt worden sind oder für die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten. Für die Vergabepraxis bedeutet dies, dass in allen anderen Fällen die Auftraggeber die Vergabe eines öffentlichen Auftrags nicht von der Einhaltung der Tariftreue abhängig machen können und sich praktisch, um EU-Recht einzuhalten, am Lohndumping beteiligen müssen. Zudem bewirkte das Rüffert-Urteil in der Vergabepraxis eine Inländerdiskriminierung: während inländische Auftragnehmer sich zur Einhaltung der am Ort der Ausführung geltenden Tarifverträge weiterhin verpflichten müssen, sind Auftragnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten an eine solche Tariftreueverpflichtung nicht gebunden, und zwar nur, weil sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben. Die Ungleichheit zwischen inländischen und ausländischen Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erhöht die Gefahr von Tarifflucht, da durch die Gründung von Zweigunternehmen in Niedriglohngebieten innerhalb der EU bestehende Tarifverträge umgangen werden können.

Der EuGH stellt die Möglichkeit, die Vergabe öffentlicher Aufträge von einer Tariftreueverpflichtung abhängig zu machen, mit dem Rüffert-Urteil nicht grundsätzlich in Frage, sondern legt diese Möglichkeit – um den Binnenmarkt zu schützen und zu fördern – äußerst restriktiv aus. Daher stellt sich für ihn die Frage nicht auf der Ebene des Vergaberechts, sondern im Rahmen der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen. Aus diesem Grund zieht er als Prüfungsmaßstab die Entsende-RL[34], die das Mindestmaß an Schutzstandards für die entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer festlegt, heran. Allerdings stellt der EuGH fest, dass ein Mitgliedstaat von ausländischen Unternehmen nur die Einhaltung dieses Mindeststandards erfordern darf. Dadurch wird die Entsende-RL zur Obergrenze der Schutzstandards für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verwandelt und alles, was über diese Grenze hinausgeht, d.h. günstiger für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wäre, de facto als europarechtswidrig eingestuft. Die Bindung von ausländischen Unternehmen an einen gesetzlichen Mindestlohn entsprechend der Entsende-RL ist daher mit der folgenden Gefahr verbunden: sollen die vor Ort anzuwendenden nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträge günstigere Lohnsätze als den gesetzlichen Mindestlohn vorsehen, wären diese Tarifverträge nach der Entsende-RL nicht anwendbar. Dies führte dazu, dass der gesetzliche Mindestlohn zum Höchstlohn wird.

Indem das NLvG vom EuGH als nicht europarechtskonform eingestuft wird, da die Tariftreueverpflichtung die Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarktes einschränkt, wird den Grundfreiheiten des EG-Binnenmarkts Vorrang vor dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeben. Denn Tariftreueregelungen sollen Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken, die in bestimmten Branchen durch den gehäuften Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen. In diesem Zusammenhang wirft das Urteil auch die bedeutende Frage nach dem Verhältnis zwischen dem EuGH und den BVerfG auf. Letzteres hat im Juli 2007 die Frage, ob die Tariftreueregelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, zugunsten der Tariftreueregelungen beantwortet.[35] Anlass war ein Vorlagebeschluss des BGH, der das Berliner Vergabegesetz für verfassungswidrig erklärt hatte, da es nach seiner Ansicht gegen die negative Koalitionsfreiheit nach Art. 9 III GG verstoßen würde. Das BVerfG verneint in seinem Urteil einen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG und gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG. Zwar greife die Tariftreueregelung mittelbar in die durch Art. 12 I GG gewährleistete Vertragsfreiheit im unternehmerischen Bereich ein, dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, da der Gesetzgeber mit der Regelung legitime Ziele verfolge. Die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit ergebe sich aus dem Sozialstaatsprinzips des Art. 20 I GG. Ebenso sei der damit einhergehende Beitrag zur Stabilisierung des Systems der sozialen Sicherung ein Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung (Rn. 88 f.). Schließlich betont das Gericht, „dass der Gesetzgeber die Ordnungsfunktion der Tarifverträge unterstützen (darf), indem er Regelungen schafft, die bewirken, dass die von den Tarifparteien ausgehandelten Löhne und Gehälter auch für Nichtverbandsmitglieder mittelbar zur Anwendung kommen” (Rn. 90). Mit dieser Argumentation steht aber das BVerfG in Widerspruch zum EuGH, der die Unvereinbarkeit der Tariftreueklauseln mit dem EU-Recht konstatiert und insbesondere Arbeitnehmerschutzgründe als Rechtfertigung für einen Eingriff in Art. 49 EGV nicht anerkennt.

Das Luxemburg-Urteil erfolgte – im Unterschied zu den vorherigen drei EuGH-Urteilen Viking, Laval und Rüffert – nicht nach Art. 234 EGV (Vorabentscheidungsverfahren), sondern im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EGV. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens hatte der EuGH den EGV und die ihn konkretisierende Entsende-RL ausgelegt und dadurch einen verbindlichen Rahmen für die endgültige Entscheidung der jeweiligen nationalen Gerichte, die den EuGH um eine Auslegung ersucht haben, gesetzt. Beim Vertragsverletzungsverfahren hingegen ist die Kommission nach Art. 226 Abs. 2 EGV ermächtigt, einen Mitgliedstaat vor dem EuGH zu verklagen, wenn sie der Auffassung ist, dass dieser Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus dem Vertrag verstößt. Vorher muss die Kommission eine begründete Stellungnahme abgeben und dem Mitgliedstaat eine Frist für eine Gegenstellungnahme einräumen. Wenn der EuGH in seinem Urteil feststellt, dass der angeklagte Mitgliedstaat gegen den Vertrag tatsächlich verstößt, muss der Mitgliedstaat seine Vertragsverletzung beheben, indem er dem EuGH-Urteil folgt und die dort vorgesehenen Maßnahmen ergreift. D.h. der Mitgliedstaat wird „verurteilt”, und folgt er dem EuGH-Urteil nicht, kann dies zur Verhängung von Zwangsgeld durch den EuGH führen (Art. 228 EGV).

Mit dem Luxemburg-Urteil werden erneut soziale Schutzstandards den Grundfreiheiten des Binnenmarkts untergeordnet. Das nationalstaatliche Arbeitsrecht wird unter den Vorbehalt der Durchsetzung der Verwirklichung der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gestellt. Dies bedeutet einen schweren Eingriff in die luxemburgische nationalstaatliche Sozialordnung seitens des EuGH. Die Tendenz des Laval-Urteils, worauf sich das Luxemburg-Urteil ausdrücklich bezieht, wird fortgesetzt. Soziale Mindeststandards werden zu Höchststandards. Das Urteil legt sogar explizit fest, dass „der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrags nur durch Regelungen beschränkt werden darf, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätige[n] Personen oder Unternehmen [gelten], soweit dieses Interesse nicht durch die Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist”.[36] Hier droht sogar das Herkunftslandprinzip durch die Hintertür eingeführt zu werden.

Die Grundfreiheiten „verengen” den Spielraum der Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung ihrer öffentlichen Ordnung als Schutzrahmen des Arbeits- und Sozialrechts. Der Begriff der „Öffentlichen Ordnung” in dieser Auslegung ist nicht mehr mit der „öffentlichen Ordnung” der Mitgliedstaaten identisch und kann somit gemäß dem Urteil nicht mehr von den Mitgliedstaaten einseitig bestimmt werden. Der EuGH stellt insbesondere klar, dass „der Begriff der öffentlichen Ordnung, auch wenn die Mitgliedstaaten die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung im Wesentlichen weiterhin frei nach ihren innerstaatlichen Bedürfnissen bestimmen können, im Gemeinschaftsrecht und insbesondere wenn er eine Ausnahme von dem fundamentalen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen soll, doch eng zu verstehen [ist], so dass seine Tragweite nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft bestimmt werden darf”.[37] Auch eine strengere Kontrolle des Mitgliedstaates über die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften wird der Dienstleistungsfreiheit untergeordnet. Zudem wird auf einen unzumutbaren Finanzaufwand von Unternehmen bei der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften verwiesen. Laut EuGH ist unstreitig, „dass die in Art. 8 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 aufgestellte Verpflichtung für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen zusätzlichen Verwaltungs- und Finanzaufwand mit sich bringt, so dass diese aus Wettbewerbssicht nicht mit den im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Arbeitgebern gleichstellt sind und davon abgehalten werden können, dort Leistungen zu erbringen.”[38] Damit wird die Einhaltung des Arbeitsrechts unter Finanzierungsvorbehalt gestellt und als Hemmnis des freien Wettbewerbs deklariert.

Das Cartesio-Urteil ist von grundlegender Bedeutung für Gesellschaftsgestaltungen über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus. In seiner bisherigen Rechtsprechung[39] hat sich der EuGH fast ausschließlich mit der Möglichkeit von Sitzverlagerungen aus dem EU-Ausland in den Aufnahmestaat herein befasst (sog. „Zuzugsfreiheit”[40]). Im Fall Cartesio hat der EuGH eine Entscheidung getroffen, die auch Sitzverlagerungen aus dem Heimatstaat in das EU-Ausland und damit die „Wegzugfreiheit” als ein Teil der Niederlassungsfreiheit mit umfasst.[41] Die Entscheidung ist von entscheidender Bedeutung für Gesellschaftsgestaltungen über nationalstaatliche Grenzen hinaus. Zwar besteht auch nach dem Cartesio-Urteil für Gesellschaften keine Möglichkeit, frei eine Sitzverlagerung vorzunehmen und gleichzeitig das bisher anwendbare Recht beizubehalten. Gleichzeitig aber dürfen die Mitgliedstaaten zukünftig keine materiellrechtlichen Modalitäten für eine Sitzverlagerung festschreiben (außer bei zwingenden Gründen des Allgemeininteresses), wenn diese bei gleichzeitiger Umwandung der Gesellschaft nach dem Recht des Aufnahmestaates und damit auch bei Änderung des anwendbaren Rechts, erfolgt.[42] Aufgrund des EuGH-Urteils können die Verlagerungsmöglichkeiten von Unternehmen erheblich erleichtert werden, da der EuGH hier einen Weg aufzeigt, wie eine Gesellschaft identitätswahrend „umziehen” kann.[43] Die umwandelnde Sitzverlagerung ist nach EuGH zwar nur dann möglich, wenn der Zuzugsstaat eine grenzüberschreitende Umwandung zulässt.[44] Eine vergleichbare Umwandung wird aber grundsätzlich möglich sein, da ein Formwechsel auch z.B. bei Verschmelzung oder beim Fortbestand der Gesellschaft als Personengesellschaft gegeben sein wird.[45] Dies könnte die Tendenz fördern, dass Unternehmen in weit stärkerem Ausmaß als bisher Sitz- und Standortverlagerungen vornehmen, um unternehmensfreundlichere soziale Standards und zusätzliche Steuererleichterungen in Anspruch nehmen zu können. Es ist zu erwarten, dass die Kommission ihre Pläne für die Vorlage einer Sitzverlagerungsrichtlinie unter Berufung auf das EuGH-Urteil erneut aufnehmen wird. Leitprinzip ist dabei die Durchsetzung der neoliberalen Grundfreiheiten des Binnenmarkts gegenüber sozialen Grundrechten und sozialen Standards für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

    3. Die neue richterrechtliche Werteordnung der Europäischen Union

In ihrer Gesamtheit lassen die fünf Urteile des EuGH (Viking, Laval, Rüffert, Luxemburg und Cartesio) erkennen, dass in der Rechtsordnung der Europäischen Union aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein neuer europarechtlicher Grundsatz des Vorrangs der Grundfreiheiten des EG-Binnenmarktes vor den (sozialen) Grundrechten entwickelt wird. Dieser Grundsatz ist Bestandteil der EU-Rechtsordnung, welche sowohl gegenüber dem Recht der EU-Mitgliedstaaten, als auch dem Völkerrecht eine Verselbständigung und unmittelbare Wirkung[46] sowie einen (Anwendungs-)Vorrang[47] vor dem mitgliedstaatlichen Recht beansprucht. Dabei gilt der Vorrang des europäischen Rechts (primär und sekundär) aus Sicht des EuGH gegenüber jeder Stufe der nationalstaatlichen Rechtsordnungen, einschließlich der Verfassungen der Mitgliedstaaten und der dort verankerten Grundrechte.[48] Auf diesen Grundlagen, die durch Richterrecht herbeigeführt wurden, entsteht im Rahmen der EU eine neue Werteordnung, die sich mit dem Primat der EG-Grundfreiheiten kennzeichnet. Hinzu kommt, dass im Unterschied zu den EG-Grundfreiheiten, welche bereits zu Beginn der Europäischen Einigung in den Gründungsverträgen ausdrücklich festgeschrieben waren, bis heute keine primärrechtlich verankerten geschriebenen Grundrechte gibt.[49] Erst Ende der 60er Jahre, nachdem der autonome Charakter des EU-Rechts wie auch seine direkte und vorrangige Wirkung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung herausgebildet waren, nahm der EuGH eine Qualifizierung der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht als allgemeine Rechtsgrundsätze vor.[50] Gleichzeitig schlich sich in die EuGH-Rechtsprechung eine Umdeutung der Kapitalfreiheiten von Diskriminierungsverboten hin zu allgemeinen Beschränkungsverboten ein, und auf dieser Grundlage wurden sie im Schrifttum – in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung – als subjektive, einklagbare (Freiheits-, Gleichheits- oder grundrechtsähnliche) Grundrechte interpretiert.[51] Dadurch erfahren die Grundrechte im Rahmen der EU-Rechtsordnung eine symbolische politische Relativierung: Während die Grundrechte in den Verfassungen der Mitgliedstaaten als höchstes Rechtsgut an der Spitze der Normenhierarchie stehen, werden die Grundrechte der EU als allgemeine Rechtsgrundsätze den Grundfreiheiten des Binnenmarktes untergeordnet. Unterschiedlich im Vergleich zur Prüfung der mitgliedstaatlichen Verfassungsgerichte ist auch die Perspektive, aus der die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch den EuGH untersucht wird: Kapitalfreiheiten (als einklagbare subjektive Grundrechte) werden gegen soziale Grundrechte (als allgemeine Rechtsgrundsätze) abgewogen, und die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt sich nicht hinsichtlich des Eingriffs in die (sozialen) Grundrechte, sondern hinsichtlich des Eingriffs in die EG-Grundfreiheiten durch die Grundrechte.[52]

Es liegt auf der Hand, dass das Richterrecht des EuGH kontinuierlich eine asymmetrische Werteordnung etabliert, die die Autonomie der mitgliedstaatlichen Sozialordnung revidiert. Die fünf hier dargestellten EuGH-Urteile sind nicht als Zufall oder Ausnahme in der richterrechtlichen Fortbildung des Gerichtshofs zu sehen, sondern stellen vielmehr Ausdruck einer absichtlich schrittweise herbeigeführte „Radikalisierung der Binnenmarktintegration”[53] dar.[54] Die Konfliktsituationen, die sich aus diesen Urteilen ergeben, verschärfen sich zusätzlich angesichts der Zunahme sozialer und wirtschaftlicher Disparitäten in der EU nach der Erweiterung der Union um die 12 süd- und osteuropäischen Staaten.[55] Indem der EuGH die Sozialstaatlichkeit gegen den freien Zugang zum Markt abwägt, bewirkt er eine Umgestaltung der vielfältigen wirtschaftlichen und sozialen Verfassungen der Mitgliedstaaten hin zu einer neoliberalen Vereinheitlichung. Wirtschafts- und Sozialordnung werden nicht mehr in einem wechselseitigen Verhältnis begriffen, sondern voneinander getrennt und rechtlich in einem Hierarchieverhältnis zueinander gestellt. Auf dieser Grundlage wird das Modell einer europäischen Verfassungsordnung etabliert, die sich nicht mehr entsprechend dem Art. 6 Abs. 2 EUV aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, sondern die verfassungsrechtliche Werte der Mitgliedstaaten verschiebt und dadurch den Anspruch einer neuen, universalisierenden europäischen Verfassungsordnung erhebt.

    4. Optionen für korrigierende Mitgestaltung durch die Mitgliedstaaten

Auf der Suche nach Wegen für eine Korrektur der per Gerichtsurteile hervorgerufenen Schmälerung der Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik wurden in der Öffentlichkeit wie auch in der Fachliteratur unterschiedliche Möglichkeiten ausgewertet. Die Optionen reichten von Vorschlägen, den EuGH zu „stoppen”[56] oder ihm nicht zu „folgen”[57] bis hin zu Forderungen an den EuGH nach einer „schonenden Selbstzurückhaltung”[58]. Zudem gab es auch parlamentarische und außerparlamentarische Initiativen, die eine Ergänzung der geltenden EU-Verträge um eine sog. „Fortschrittsklausel”[59] forderten.

Absicherungsmaßnahmen auf mitgliedstaatlicher Ebene, wie z. B. die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne, die flächendeckende Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen oder Änderungen des nationalen Vergaberechts, dürften die herbeigeführte Schieflage nicht dauerhaft korrigieren können. In diesen Fällen würden lediglich die verbleibenden Spielräume der Mitgliedstaaten ausgeschöpft, jedoch nicht die sich neu entwickelnde neoliberalen Werteordnung innerhalb der EU behoben. Auch Änderungen im Rahmen des einschlägigen europäischen Sekundärrechts könnten zu einer Verbesserung der Situation führen, allerdings bleibt das EU-Sekundärrecht dem Primärrecht untergeordnet und darf ihm weder widersprechen noch in Widerspruch zum ihm ausgelegt werden. All dies zeigt, dass die einzige rechtliche Lösung in der Änderung des europäischen Primärrechts besteht – in der Neubegründung der Europäischen Integration. Hier könnte der Vorschlag für ein sog. Sozialprotokoll bzw. für eine sog. Fortschrittsklausel der erste Schritt in die richtige Richtung sein. Die Rechtsgrundlage für weitere unsoziale und grundrechtsfeindliche EuGH-Urteile kann nur dann entzogen werden, wenn das Verhältnis zwischen (sozialen) Grundrechten und Grundfreiheiten des Kapitals explizit eindeutig und zugunsten der (sozialen) Grundrechte per Vertrag neu definiert wird.

Literaturliste:

Bispinck, Reinhard/Schulten, Torsten, Aktuelle Mindestlohndebatte: Branchenlösungen oder gesetzlicher Mindestlohn?, in: wsi-Mitteilung 2008, S. 151-158

Däubler, Wolfgang, Tarifvertragsgesetz mit Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2006

Dräger, Klaus/Mileva, Janeta, Der Europäische Weg zur Knechtschaft. Wie der Europäische Gerichtshof das Streikrecht aushebelt und sozialpolitische Handlungsspielräume einengt, in: Sozialismus 7-8/2008, S. 28-34

Frobenius, Tilmann, Potentielle Wegzugsfreiheit für Gesellschaften in Europa, in: DStR 10/2009, S. 487-492

Herzog, Roman/Gerken, Lüder, Stoppt den Europäischen Gerichtshof, in: F.A.Z. v. 08.09.2008

Höpner, Martin, Usurpation statt Delegation: Wie der EuGH die Binnenmarktintegration radikalisiert und warum er politischer Kontrolle bedarf, MPfGF Diskussion Paper 08/12

Joerges, Christian/Rödel, Florian, Von der Entformalisierung europäischer Politik und dem Formalismus europäischer Rechtsprechung im Umgang mit dem „sozialen Defizit” des Integrationsprojekts. Ein Beitrag aus Anlass der Urteile des EuGH in den Rechtssachen Viking und Laval, ZERP-Diskussionspapier 2/2008

Kocher, Eva, Kollektivverhandlungen und Tarifautonomie – welche Rolle spielt das europäische Recht?, in: AuR 1-2/2008, S. 13-18

Leible, Stefan/Hoffmann, Jochen, Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiellrechtlicher Wegzugsbeschränkungen, in: BB 2009, S. 58 – 63

Rebhahn, Robert, Grundfreiheit vor Arbeitskampf – der Fall Viking, in: ZESAR 3/2008, S. 109-117

Scharpf, Fritz, Der einzige Weg ist, dem EuGH nicht zu folgen, in: Mitbestimmung 7+8/2008, S. 19-23

Teichmann, Christoph, Cartesio: Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug?, in: ZIP 9/2009, S. 393-404

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Zwanziger, Bertram, Arbeitskampf- und Tarifrecht nach den EuGH-Entscheidungen „Laval” und „Viking”, in: DB 6/2008, S.294-298


[1] Vgl. EuGHE v. 11.12.2007, Rs. C-438/05 – Viking Line.

[2] Vgl. EuGHE v. 11.12.2007, Rs. C-438/05 – Viking Line, Rn. 55.

[3] Vgl. EuGHE v. 18.12.2007, Rs. C-341/05 – Laval.

[4] Vgl. EuGHE v. 11.12.2007, Rs. C-438/05 – Viking Line, Rn. 91.

[5] Vgl. EuGHE v. 18.12.2007, Rs. C-341/05 – Laval, Rn. 91.

[6] Vgl. EuGHE v. 18.12.2007, Rs. C-341/05 – Laval, Rn. 88, 95.

[7] RL 96/71 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. 1997 L 18, S. 1 f.

[8] Vgl. EuGHE v. 18.12.2007, Rs. C-341/05 – Laval, Rn. 111.

[9] Zum Begriff vgl. Lakies, in: Däubler TVG, § 5 Anh. I, Rn. 10. Neben Niedersachsen waren im Frühjahr 2008 in sieben weiteren Bundesländern der BRD ähnliche Tariftreueklauseln festgelegt: Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein. Vgl. Bispinck, R./Schulten, T., Aktuelle Mindestlohndebatte: Branchenlösungen oder gesetzlicher Mindestlohn?, in: wsi-Mitteilung 2008, S. 151 ff., 186.

[10] Der niedersächsische Tarifvertrag im Baugewerbe war nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden und der darin festgelegte Lohn lag deutlich über dem nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärten Mindestlohn.

[11] Vgl. EuGHE v. 03.04.2008, Rs. C-346/06 – Rüffert.

[12] Vgl. EuGHE v. 03.04.2008, Rs. C-346/06 – Rüffert, Rn. 43.In seinem Urteil folgt der EuGH dabei nicht dem Schlussantrag des Generalanwalts Yves Bot, der die Vereinbarkeit der Tariftreueregelung mit Art. 49 EGV festgestellt hatte. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 20.09.2006 zur Rs. C-346/06, Rn. 5.

[13] Vgl. EuGHE v. 03.04.2008, Rs. C-346/06 – Rüffert, Rn. 21, 22 und 34.

[14] Vgl. EuGHE v. 03.04.2008, Rs. C-346/06 – Rüffert, Rn. 24 ff., 43.

[15] Vgl. EuGHE v. 03.04.2008, Rs. C-346/06 – Rüffert, Rn. 36.

[16] Vgl. EuGHE v. 19.06.2008, Rs. C-319/06 – Kommission gegen Luxemburg.

[17] Vgl. EuGHE v. 19.06.2008, Rs. C-319/06 – Kommission gegen Luxemburg, Rn. 30.

[18] Vgl. EuGHE v. 19.06.2008, Rs. C-319/06 – Kommission gegen Luxemburg, Rn. 50.

[19] Vgl. EuGHE v. 18.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio.

[20] Vgl. EuGHE v. 18.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio, Rn. 124.

[21] Vgl. EuGHE v. 18.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio, Rn. 104; EuGHE v. 27.09.1998, Rs. C-81/87, Slg. 1998, 5505 – Daily Mail, Rn. 19.

[22] Vgl. EuGHE v. 18.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio, Rn. 111, 112.

[23] Vgl. EuGHE v. 18.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio, Rn. 113.

[24] Vgl. Kocher, E., Kollektivverhandlungen und Tarifautonomie – welche Rolle spielt das europäische Recht, in: AuR 1-2/2008, S. 13.

[25] Vgl. EuGHE v. 11.12.2007, Rs. C-438/05 – Viking Line, Rn. 41; EuGHE v. 18.12.2007, Rs. C-341/05 – Laval, Rn. 88.

[26] Vgl. EuGHE v. 11.12.2007, Rs. C-438/05 – Viking Line, Rn. 91. Im Schrifttum wird hier allerdings kritisiert, dass die Ableitung des Streikrechts als Grundrecht der EU sich weder auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten noch auf die EMRK stützt und damit der „üblichen Formel” des Art. 6 Abs. 2 EGV nicht folgt. Das Urteil berufe sich hingegen auf vier Texte, von denen drei die Begründung jedoch nicht trügen: Die ILO-Konvention sage nichts über das Streikrecht. Die Europäische Sozialcharta und die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer sprächen in der Tat von einem Recht zu streiken, daraus lasse sich jedoch eine Gemeinschaftsrecht zu streiken nicht ableiten. Die Grundrechtecharta sei derzeit unverbindlich und man könne schon daran zweifeln, ob es legitim sei, dem Ratifizierungsprozess vorzugreifen, weil die Charta ohnehin nur die „gemeinsamen Überzeugungen widerspiegele”. Denn mit diesem Argument könne man jede Vertragsänderung, die nur von den Regierungen gebilligt wurde, als geltendes Primärrecht ausgehen. Vgl. Rebhahn, R., Grundfreiheit vor Arbeitskampf – der Fall Viking, in: ZESAR 3/2008, S. 109, 111.

[27] Vgl. EuGHE v. 18.12.2007, Rs. C-341/05 – Laval, Rn. 88, 91 und 95.

[28] Vgl. EuGHE v. 11.12.2007, Rs. C-438/05 – Viking Line, Rn. 91.

[29] EuGHE v. 12.06.2003, Rs. C-112/00, Slg. 2003, I-5659 – Schmidberger, Rn. 74; EuGHE v. 14.10.2004, Rs. C-36/02, Slg. 2004, I-9609 – Omega, Rn. 35).

[30] Vgl. EuGHE v. 11.12.2007, Rs. C-438/05 – Viking Line, Rn. 46; EuGHE v. 18.12.2007, Rs. C-341/05 – Laval, Rn. 94.

[31] Vgl. Joerges, C./Rödl, F., Von der Entformalisierung europäischer Politik und dem Formalismus europäischer Rechtsprechung im Umgang mit dem „sozialen Defizit” des Integrationsprojekts. Ein Beitrag aus Anlass der Urteile des EuGH in den Rechtssachen Viking und Laval, ZERP-Diskussionspapier 2/2008, S. 14

[32] Rebhahn, Grundfreiheit vor Arbeitskampf – der Fall Viking, in: ZESAR 3/2008, S. 109, 112.

[33] Vgl. Kocher, E., Kollektivverhandlungen und Tarifautonomie – welche Rolle spielt das europäische Recht, in: AuR, S. 13 ff., 18.

[34] Richtlinie Nr. 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18 v. 21.01.1997, S: 1 ff.

[35] BVerfGE vom 11.07.2006, NJW 2007, 51.

[36] Vgl. EuGHE v. 19.06.2008, Rs. C-319/06 – Kommission gegen Luxemburg, Rn. 43.

[37] Vgl. EuGHE v. 19.06.2008, Rs. C-319/06 – Kommission gegen Luxemburg, Rn. 50.

[38] Vgl. EuGHE v. 19.06.2008, Rs. C-319/06 – Kommission gegen Luxemburg, Rn. 85.

[39] Vgl. EuGHE v. 9.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 – Centros; EuGHE v. 5.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9943 – Überseering; EuGHE v. 30.09.2003, Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155 – Inspire Art.

[40] Seit dem Überseering-Urteil (EuGHE v. 5.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9943 – Überseering) wird bei der Auslegung der Niederlassungsfreiheit zwischen Zuzug und Wegzug unterschieden. Dabei handelt es sich um ein und denselben Vorgang, die Perspektive dieses Vorgangs ist lediglich unterschiedlich: der Wegzug für den bisherigen Heimatstaat stellt sich als Zuzug für den Aufnahmestaat dar. Vgl. Teichmann, C., Cartesio: Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug?, in: ZIP 9/2009, S. 393 ff., 396.

[41] In seiner bisherigen Rechtsprechung aus Wegzugsperspektive gewährte der EuGH natürlichen Personen den freien Wegzug – EuGHE v. 11.03.2004, Rs. C-9/02, Slg. 2004, I-2409 – De Lasteyrie du Saillant. Ein freier Wegzug für Unternehmen ist hingegen durch den EuGH nicht garantiert – EuGHE v. 27.09.1998, Rs. C-81/87, Slg. 1998, 5505 – Daily Mail.

[42] Vgl. EuGHE v. 18.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio, Rn. 111-113. Daher wird aus dem Cartesio-Urteil in der Literatur ein Recht auf formwechselnden Wegzug (rechtliche Mobilität) abgeleitet. Vgl. Leible, S./Hoffmann, J., Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiellrechtlicher Wegzugsbeschränkungen, in: BB 2009, S. 58 ff., 60.

[43] Vgl. Zimmer, D./Naendrup, C., Das Cartesio-Urteil des EuGH: Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht?, in: NJW 9/2009, S. 545 ff., 547.

[44] Vgl. EuGHE v. 18.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio, Rn. 112.

[45] Vgl. Frobenius, T., „Cartesio”: Partielle Wegzugsfreiheit für Gesellschaften in Europa, in: DStR 10/2009, S. 487 ff., 490; Leible, S./Hoffmann, J., Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiellrechtlicher Wegzugsbeschränkungen, in: BB 2009, S. 58 ff., 61.

[46] Vgl. EuGHE v. 05.02.1963, Rs. C-26/62 – van Gend & Loss.

[47] Vgl. EuGHE v. 15.07.1964, Rs. C-6/46 – Costa/ENEL.

[48] Vgl. EuGHE v. 17.12.1970, Rs. C-11/70 – Internationale Handelsgesellschaft.

[49] Der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. v. 18.12.2000 C 364, 1 ff.), mit der eine Kodifikation der richterrechtlich herausgebildeten Grundrechte vorgenommen wurde, kommt zurzeit keine Rechtsverbindlichkeit zu.

[50] Grundlegend hier war die EuGHE v. 12.11.1969, Rs. 29/69, Slg. 1969, 69 – Stauder. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde auf die mittlerweile sensibel gewordene Frage nach dem Grundrechtsschutz in der EU durch die Einführung des Art. 6 Abs. 2 EUV reagiert.

[51] Vgl. Dräger, K./Mileva, J., Der europäische Weg zur Knechtschaft, in: Sozialismus 7-8/2008, S. 28 ff., 30 f.

[52] Zur Verschiebung des Gewichts bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit auch Zwanziger, B., Arbeitskampf- und Tarifrecht nach den EuGH-Entscheidungen „Laval” und „Viking”, in: DB 6/2008, S. 294 ff., 296.

[53] Vgl. Scharpf, F., Der einzige Weg ist, dem EuGH nicht zu folgen, in: Mitbestimmung 7+8/2008, S. 19.

[54] Diese Lesart teilt auch Höpner, M., Usurpation statt Delegation: Wie der EuGH die Binnenmarktintegration radikalisiert und warum er politischer Kontrolle bedarf, MPfG Discussion Paper 08/12, S. 6. Dabei zeigt Höpner auf, dass ein erheblicher Teil der europäischen Integration nicht Ergebnis einer Delegation von Kompetenzen von unten, d.h. aufgrund von Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs, sondern der „sukzessiven Reinterpretation” der Verträge durch den EuGH und der „damit einhergehenden Usurpation von Kompetenzen” ist. Vgl. a.a.O., S. 12 ff.

[55] Auf diese Tendenz weisen auch Joerges und Rödl hin, vgl. Joerges, C./Rödl, F., Von der Entformalisierung europäischer Politik und dem Formalismus europäischer Rechtsprechung im Umgang mit dem „sozialen Defizit” des Integrationsprojekts. Ein Beitrag aus Anlass der Urteile des EuGH in den Rechtssachen Viking und Laval, ZERP-Diskussionspapier 2/2008, S. 12.

[56] Vgl. Herzog, R./Gerken, L., Stoppt den Europäischen Gerichtshof, in: F.A.Z. v. 08.09.2008.

[57] Vgl. Scharfp, F., Der einzige Weg ist, dem EuGH nicht zu folgen, in: Mitbestimmung 7+8/2008.

[58] Vgl. Höpner, M., Usurpation statt Delegation: Wie der EuGH die Binnenmarktintegration radikalisiert und warum er politischer Kontrolle bedarf, MPfG Discussion Paper 08/12.

[59] Vgl. Vorschlag des Europäischen Gewerkschaftsbundes für ein Protokoll zum „Sozialen Fortschritt”; Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag „Das Ratifizierungsverfahren zum Vertrag von Lissabon aussetzen – Ein Sozialprotokoll vereinbaren”, BT-Drs. 16/8879.

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Thema: Arbeit & Wirtschaft, Europa, Staat Demokratie BürgerInnenrechte

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